Wachwechsel Nr. 2: Irgendwann gegen Wachende

Wachwechsel Nr. 2: Irgendwann gegen Wachende

Der Wind braust immer stärker, die Roald wirft sich von einer Seite zur anderen und es ist kalt.

Egal, die Lappen müssen beigefangen werden. Also hinauf. Was sonst leicht von der Hand geht, wird Schwerstarbeit. Das Segel bläht und wehrt sich. Irgendwann ist doch der letzte Zeiser festgebunden. Der Blick geht nach steuerbord. „Braucht ihr Hilfe?“ „Nein“ kommt es zurück. Bloß runter von der Rah. Lieber einmal mehr festhalten, warten bis die Roald nach Lee kippt, weiterklettern. Zurück an Deck ein Blick auf den Kontrollmonitor – Wachwechsel.
Raus aus dem Ölzeug, rein in die Koje. Der Kopf ist gerade unter der Decke verschwunden, da heißt es „Stamm an Deck!“. Das Vorstengestagsegel muss runter!
Raus aus der Koje, rein ins Ölzeug. Rollt die Roald stärker? Kommen mehr Wellen über? Egal, nach vorn. Das Segel schlägt wie verrückt. Chris teilt ein: „Paul, an die Schot! Einer klar bei Fall, der Rest an den Niederholer!“
Angela steht schon da, brüllt „Pickt euch ein!“ und reicht den Niederholer weiter. Ich ertaste das Tau mehr, als dass ich es sehe. Welle und Gischt vernebeln die Sicht. Jede zweite lässt uns den Halt verlieren auf dem glitschigen Deck.
Das Segel hängt fest. Egal, muss gehen, irgendwie. Also Aufrappeln und gemeinsam: „Hol weg“ Endlich, der Widerstand löst sich, wir stolpern nach achtern, das Segel gleitet an Deck!Unter Deck, in der Messe sitzend jede/r mit einer dampfenden Mug in der Hand. Niemand spricht – das gemeinsame Erlebnis spricht für sich

Seemannschaft irgendwo zwischen Vigo und Cherbourg März 2019, Anja Blöhm