Tagesmeldung vom 21.10.2023
Törn 0829 | Ostsee, Nordsee und Mor Breizh
Im Hafen von Eckernförde
Position 54°28,8′ N|009°50′ E
Kurs, Speed 000 | kn
Etmal 0nm
Wind SE – 5bft
Luftdruck 991 hpa
Bedeckung 8
Temp (L/W) 8°C, 15°C
Nach Hause kommen
Ich bin gestern früh zu Hause losgefahren und zweieinhalb Stunden später Zuhause angekommen. Die Roald als dieser ewig wechselnde ewig gleich bleibende Ort ist genauso mein Zuhause, wie der Ort an dem ich geboren und aufgewachsen bin.
Zuhause ist die Umgebung, die Vertrautheit, das Wohlfühlen aber vor allem die Menschen.
Wenn du beim ersten Blick aus dem Auto auf den Klüverbaum, der zwischen einer Häuserreihe hervorragt, ohne jeglichen Zweifel weißt, dass du da bist. Wenn du die letzten Schritte bis zur Gangway, bis das Crew-only-schild beiseite kommt und du den ersten Schritt vom festen Boden auf unsere Roald machst. Selbst wenn dein Fuß bei diesem Schritt, wie gestern von den Ausläufern einer Sturmflut umspült wird, bevor du auch nur in die Nähe der Gangway kommst, ist das Gefühl doch immer das selbe.
Das Gefühl wieder da zu sein.
Die Gewissheit besondere Menschen wieder zu sehen, neue Menschen kennen zu lernen, die Ungewissheit wen du vielleicht auch noch kennst. Welche Gesichter sind dir so vertraut, dass du dich schon von weitem freust sie zu sehen und bei welchen brauchst du erst noch ein paar Minuten bis du dich erinnerst wann und wo ihr euch zuletzt auf der Roald gesehen habt. Der Moment, wenn du ganz genau weißt wo eine Person sein könnte, auch wenn du sie noch gar nicht gesehen hast. Plötzliche Umarmungen im Gang. Überraschung wenn du jemanden siehst, mit dem du nicht gerechnet hattest. Die Freude wenn jemand doch an Bord ist, von dem du eigentlich wusstest das er nicht geplant hatte da zu sein. Aber auch die Wehmut jemanden der für dich auch Teil, des Zuhauses ist nicht zu sehen. Der kleine Stich im Herzen wenn du an Orten vorbei läufst, die du mit Menschen die du liebst verbindest und weißt, dass diese Orte dieses mal ohne diese Menschen auskommen müssen. Das du dieses mal ohne diese Menschen auskommen wirst. Und weil für mich persönlich immer jemand da ist an dem mein Herz schon hängt oder sich noch hängen wird, gehört zu nach Hause kommen die Liebe ohne zweifel dazu.
Die Liebe für die Menschen die man trifft und für die, die man hier einst getroffen hat.
Die Dankbarkeit dafür all diese Menschen kennen lernen zu dürfen. Auf so einem wunderschönen Schiff.
Erleben zu dürfen wie sehr die Arbeit zusammenschweißen kann, wie wir nur wenn alle zusammenarbeiten glücklich und sicher ans Ziel kommen.
Die täglichen Herausforderungen durch Dinge wie Seekrankheit oder auch einfach nur, aus anderen Lebenswelten zusammen zu kommen. Die innerlichen Herausforderungen auch mit Menschen gut zusammen zu arbeiten und nicht zu vernachlässigen gut mit ihnen zusammen zu leben, mit denen man sich nicht so gut versteht.
Zu diesem Zuhause gehört über seine eigenen Grenzen wachsen, sich weiterentwickeln menschlich wie auch seglerisch genauso dazu, wie sich in seinem Umfeld einzuleben und wohlzufühlen. Die Roald ist einer der einzigen Orte die ich kenne an denen ich mich durch unwohl sein, wohl fühle. Ich setze gerne so viele Segel, dass mir die nächsten Tage die Hände weh tun.
Ich stehe gerne mitten in der Nacht auf, um in Regen und Sturm in der Kälte auszuharren.
Ich liebe den Nordatlantik, selbst wenn ich von Anfang an weiß, dass ich seekrank werde.
Und gerade durch diese Erlebnisse lernen wir einander so gut und doch so losgelöst von allem was uns an Land ausmacht kennen, dass nach jedem Törn wieder mehr Menschen zu meinem ganz persönlichem Zuhause gehören.
Der erste Tag auf der Roald ist immer ein ganz besonderer. Es ist ein nach Hause kommen in ein sich stetig wandelndes Zuhause und jeder der die Roald einmal in sein Herz geschlossen hat und mit der Zeit sein eigenes menschliches Roald Zuhause gebaut hat, kommt so schnell nicht wieder dazu den Schritt zwischen Land und Schiff ohne die großen und kleinen Gefühle, die damit verbunden sind zu gehen.
Liebe Grüße an alle die auch einen kleinen Platz in ihrem Herzen haben auf dem das Brigg-Segel viel zu selten gesetzt wird, dafür dass es Namensgebend ist.
P.S. Besonders liebe Grüße an alle, dessen Gesichter mein Herz nur aus der ferne sehen muss, um sich zu Hause zu fühlen. Unter anderem an Geselle Uralt.
2 Responses
*seufz* so schön geschrieben. Danke an die/den unbekannten Verfasser dieser sehr bewegenden, poetischen Tagesmeldung! Du sprichst mir aus der Seele….die Gefühle habe ich auch in mir gefunden und alleine beim Lesen ganz viel „Pippi in den Augen“ gehabt. Ich bin im Geiste bei Euch an Bord! Liebe Grüße an die Roald und die Crew, Heike.
Selbst als Tagesgast habe ich nach mehreren Törns so empfunden, hätte es aber nie so wunderbar in Worte fassen können!
Wenn die Zeit bis zum nächsten Mal doch schneller vergehen würde <3 !!!