Tagesmeldung vom 15.06.2023
Südspitze Langeland
Position 54°43′ N|010°46′ E
Kurs, Speed 180 | 3kn
Etmal 33nm
Wind NE – 4bft
Luftdruck 1021 hpa
Bedeckung 0
Temp (L/W) 20°C, 17°C
Die heutige Tagesmeldung kommt von einem Trainee, einer echten Landratte, zum ersten Mal auf einem Windjammer.
Aber ob Landratte oder nicht, das Wichtigste für alle an Bord eines Seglers ist der Wind. Der hatte gestern bekanntlich abgeflaut und wir lagen am Anker vor Langeland. Mein Tag beginnt daher mit einer ruhigen Ankerwache von morgens 2 bis 4 Uhr. Alle 30 Minuten wird die Lage des Schiffes, die Wassertiefe und die Ankerkette kontrolliert, um sicher zu sein, dass sich der Anker nicht gelöst hat. Danach erfolgt eine Feuerronde (nein, kein Schreibfehler, sondern Seemannssprache) durchs ganze Schiff, um sich zu vergewissern, dass auf und unter Deck alles in Ordnung ist.
Diese 2 Stunden, in denen außer mir und meinem Wachkollegen alle schlafen, sind trotz der nachtschlafenden Zeit wunderbar entspannend. Leichte Wellen plätschern gegen den Rumpf, die Morgendämmerung setzt langsam ein und man klönt mit dem Wachkameraden über Seefahrt und Gott und die Welt.
Nach dem Frühstück setzt in der Tat, Neptun sei Dank, eine frische Brise ein. Das bedeutet auf einem Großsegler sofort viel Arbeit, da es darum geht, möglichst schnell wieder segeln zu können. Der Kapitän ruft also ein Treffen von ‚alle Frau/Mann‘ oder auch ‚all Hands‘ an Deck ein und erklärt die anfallenden Aufgaben: zunächst müssen alle Rahen in eine zum Segelsetzen geeignete Position gebracht, also gebrasst werden. Dies erfolgt vom Deck aus. Danach müssen die gestern geborgenen und an den Rahen festgemachten Segel wieder gelöst werden. Das geht nur von oben in den Rahen, somit entert jeder, der möchte und es sich zutraut, in die Rahen auf. Nach dem Lösen der Segel und dem Abentern werden die ersten Segel dann gesetzt und der Anker gelichtet.
Nachdem die Roald Fahrt aufgenommen hat, werden weitere Segel gesetzt und in eine zum Wind ideale Lage positioniert, also erneut gebrasst. Alle diese Manöver werden vom Toppsgast, eine Art Vorarbeiter jeder Wachmannschaft, geleitet und erklärt. Die jeweilige Wache führt das Manöver dann aus.
Und siehe da, der Lohn harter Arbeit ist ein halber Tag herrliches Segeln fast bei Vorwindkurs mit bis zu 4,5 Knoten. Warum der Wind dann wieder abflaut: wir wissen es nicht. Hatte sich Neptun von den plötzlich erklingenden Klängen eines Jagdhorns irritiert gefühlt und meinte, er wäre im Wald. Hatte er den obligatorischen Schuss Sherry vermisst? Für die Mannschaft inklusive Trainee hat es zur Folge, dass die Segel wieder geborgen und festgemacht (beigefangen) werden und der Motor anspringt.
Nun liegen wir wieder vor Anker, diesmal an der Schleimündung. Zur Sicherheit bekommt Neptun, mangels Sherry, ein frisches Bier. Der Tag klingt aus mit Baden in der 18 Grad warmen (kalten?) Ostsee