Tagesmeldung vom 11.05.2022
zu Anker südlich Arö
Position 55°13,2 N|009°42,7 E
Kurs, Speed 000 | 0kn
Etmal 33nm
Wind W – 4bft
Luftdruck 1010 hpa
Bedeckung 3/8
Temp (L/W) 13°C, 10°C
Der Tag beginnt so wie der alte Tag endete: Mit Gitarrengedudel verbunden mit dem sanften Hinweis, dass erneut die Sonne aufgegangen ist und ein neuer Tag begonnen hat. Das Pfannkuchenfrühstück kündigt schon an, dass ein besonderer Tag vor uns liegt. Wir gehen Anker auf unter Segeln. Ob das Manöver zu 100 % oder lediglich zu 85 % gelungen ist, kann der Schreiber dieser Zeilen nur vom Hörensagen berichten, weil er das Manöver im Kettenkasten verbracht hat. Ein außerordentlich behaglicher Raum, der bisher in den Tagesmeldungen viel zu wenig gewürdigt worden ist und sich vor allem dadurch auszeichnet, dass Wolfgang Petersens Boot dagegen ein wahrer Ballsaal ist.
Schließlich liefen wir weiter nach Norden in den kleinen Belt hinein, der anders als sein Name vermuten lässt gar nicht mal so klein ist, sondern genug Manövrierraum für Wenden und Halse ließ. Daher ging es zum Warmwerden gleichmal in die Halse. Und der Käpt’n wäre nicht der Käpt’n, wenn er mit einer gewöhnlichen Halse zufrieden wäre. Vielmehr sollte das heißgeliebte – und mit großer Empathie gereffte – Briggsegel zum Einsatz kommen. Wir sind ja schließlich eine Brigg. Vorsichtige Hinweise des Schiffrates, dass man das Briggsegel auch wegnehmen könnte, wurden elegant umschifft (Achtung Wortwitz).
Nachdem sich der Käpt’n davon überzeugt hat, dass die Mannschaft Halsen beherrschte, gingen wir zum nächsten Level über: Der Wende. Und siehe da die Wende klappte bereits im ersten Versuch… Nun ja zu geschätzt 85 % … großzügig geschätzt. Laut Radio Eriwan funktionierte der Plan im Prinzip, wir lagen danach lediglich auf dem gleichen Bug wie vorher.
Eine Erklärung war vom Käpt’n jedenfalls schnell gefunden. Kein Wunder, denn ein Nautikstudium besteht bekanntlich aus einem Semester Navigation und fünf Semestern Ausreden….
Schuld waren jedenfalls die Vorsegel. Also beim zweiten Versuch die Vorsegel geschickt eingesetzt und schon wanderte der Bug wie gewünscht und natürlich vorhergesehen durch den Wind.
Danach liefen wir weiter Richtung Norden und ankern nun vor der Insel Arö (gesprochen Orö) und nicht zu verwechseln mit der Insel Arö (gesprochen Ärö).
Nachdem wir nun quasi den ganzen Tag im All-Hands gefahren sind, ist klar, dass auf diesem Törn nicht nur das „Sail“, sondern auch das „Training“ gelebt wird. Aber es funktioniert und auch wenn nun alle müde sind, sind alle motiviert und ziehen an einem Tampen bzw. fieren dessen Gegenpart. Jedenfalls bekommt man eine Ahnung davon, wie anstrengend das Leben an Bord eines Großseglers zu den Zeiten eines Masters and Commanders gewesen sein muss.
Jetzt sitze ich in der Navi und versuche die Ereignisse des Tages so wahrheitsgetreu wie möglich niederzuschreiben, auch wenn sich hier und da das ein oder andere Seemansgarn eingespleißt haben dürfte.
Und da mein Toppsi meinte, dass eine Tagesmeldung etwa eine Seite lang sein sollte, grüße ich jetzt noch Hans-Peter, Irmgard und Jan aus Braunschweig, sowie Mareike und Jasper aus Lucklum.