Tagesmeldung vom 10.05.2022
zu Anker im Nordausgang Alssund
Position 55°01,1′ N|009°37,7′ E
Kurs, Speed 000 | 0kn
Etmal 26nm
Wind S – 4bft
Luftdruck 1011 hpa
Bedeckung 7/8
Temp (L/W) 12°C, 10°C
Ich lieg so ganz gemütlich im Wasser vor der Schlei. Die Sonne streichelt gerade meine Masten als es plötzlich in meinem Inneren „Aufwachen“ säuselt. Ausnahmsweise klingt auch noch Gitarrenmusik dazu. Der alltägliche Wahnsinn setzt ein und in meinem Rumpf beginnt es sich zu regen. Es fühlt sich immer an wie Seekrankheit.
Die Organischen sind ja prinzipiell untereinander höflich. Man hört wie immer sehr oft: „Lecker und vielen Dank!“. Doch dann lassen sie mir wieder massenhaft Lebensmittelreste, Zahnpasta, Seife und Spülmittel in mein Innerstes laufen. Jetzt brauch ich Bewegung um zu verdauen.
„Mir nach!“ schreit mein Bug! Nur niemand weiß so recht wohin. Eine mächtige Stimme scheint die Entscheidung für mich und meine Gang zu treffen. Offenbar hat ein gewisser Hermann einen Plan und eine Alina sicher auch. Gemurmel und Geschacher und bemalt werde ich natürlich auch wieder. Ich brauche dringend mal wieder eine Deckswäsche sag ich euch. Kurz darauf wird an allem rumgewerkelt was wir haben. Mein Anker wird aus seiner natürlichen Umgebung gerissen. An meinen Extremitäten klettern sie rauf und runter. Sie fesseln mich und machen mich wieder los. Und dann fesseln sie mich wieder! Merkwürdig das Ganze. Nach 30 Seemeilen bin ich fix und fertig. Man hat ja auch schon ein paar Jahre auf dem Deckshaus. Auch die Organischen schreien nach Pause. Sie werden langsam wieder ruhiger. Kaputt gespielt, wie immer. Zuletzt kommt also mein Anker und verlangt: „Ich will tauchen!“ Und der Aufforderung kommen sie dann auch nach. Wo bin ich denn überhaupt? Mal einen Blick durch meine Bullaugen riskieren und noch mal das Radar befragen… Alssund… Okay, dann war das eben wohl Sonderborg. Heftig. Eben dachte ich noch, dass mich der mit der lauten Stimme am Brückenkopf versenken wollte. Irgendwie hat er die Kurve unten durch doch noch gekriegt. Wahrscheinlich nur, weil irgendwer gemerkt hat, dass es knapp wird und rechtzeitig hochgeklappt hat.
Jetzt ist wieder nur noch Gitarrengedudel. Die stehen offenbar auf etwas wie „Wind of Change“. Erfahrungsgemäß lässt das aber auch bald nach und dann ist endlich Ruhe.
Verrückt diese Organischen. Da lob ich mir doch meine Crew. Aber irgendwie habe ich die ja auch in meinen Maschinenraum eingeschlossen…
Bis Bald,
Eure Roald