Tagesmeldung vom 10.01.2023
Westlich Kapverden
Position 015°31,7′ N|039°12,4′ W
Kurs, Speed 235 | 6kn
Etmal 145nm
Wind E – 5bft
Luftdruck 1022 hpa
Bedeckung 3/8
Temp (L/W) 26°C, 24°C
Um viertel vor sieben beginnt mein Tag mit der gewohnten Flüsterstimme an meiner Koje, die versucht, die Schlafenden unter den anderen neun Seefrauen, mit denen ich hier im Messelogis nächtige, nicht zu stören. „Aufstehen, gleich ist die Sieben-Uhr-Besprechung mit der Schiffsführung.“ Ich fahre als Toppsgastin einer Wache und bei diesen Treffen wird besprochen, wie die Nacht war, und was für den Tag geplant ist. Mit Blick auf einen traumhaften Sonnenaufgang sitzen wir bei angenehm kühler Luft auf der Backbord-Backskiste. Ich bemühe mich zu folgen und schaue zumindest konzentriert, in Gedanken bin ich bei dem Obstsalat, den die Backschaft zum Frühstück vorbereitet hat. Wenn ich zu spät komme, könnte er alle sein. Obstsalat. Hmm. Unsere Wache hat uns etwas aufgehoben, ein Glück.
Um acht Uhr ist Wachbeginn. Beim Wachwechsel zähle ich durch, ob alle 15 meiner Wache da sind. Wieso wieder nur 14? „Hast Du Dich wieder beim Zählen vergessen?“ Ja, das war es. Mein zweiter Vorname ist „verpeilt“, wie gut, dass meine Wache bereits daran gewöhnt ist und liebevoll für mich mitdenkt. „Goode Wacht“ und „Goode Ruh“ wird sich gewünscht und die 4-8-Wache verholt sich nun vom Deck zum Frühstück. Was steht für uns an? An der Vorbram muss etwas repariert werden, zu diesem Zweck müssen die oberen drei Segel des Vortopps geborgen werden. „Wenn wir nur vorne Segel wegnehmen, dann steuert sich unser Schiff wie ein Schuhkarton“, erklärt Kapitänin Conni, also müssen an beiden Masten die oberen Rahsegel weg. Alle sind super motiviert. Der Schwierigkeitsgrad ist dabei deutlich erhöht, denn die Nagelbänke werden von Bootsfrau Anna und vielen Helferinnen seit Tagen geschliffen und lackiert. Das hat nun zur Folge, dass alle Tampen, an denen wir ziehen müssen, irgendwo festgemacht sind, bloß nicht da, wo sie hingehören. „Ist die Steuerbord-Schot denn jetzt klar?“, frage ich, und bekomme Antworten wie „Ich .. äh, …hoffe es“, von einer Seefrau mit Seil in der Hand, die nachdenklich nach oben schaut. Aber es klappt prima, und ich bin stolz auf meine Mädels von Wache drei. Zwischen den vielen Kommandos geht der Ruf „Wal an Steuerbord“ fast unter. Dieses Mal sind es sogar zwei Finnen, die die Roald jedoch nur einige Minuten lang begleiten.
Die Reparatur geht schnell und zack, wird alles wieder gesetzt. Dieses Mal mit etwas mehr Zeit für Ausbildung. Meine Seefrauen dürfen Toppsi sein und jeweils das Setzen eines Segels kommandieren. Ich erinnere mich noch gut, wie aufregend ich das als Trainee oder Stammcrew-Anwärterin fand, wie schnell ich durcheinander kam und wie erleichtert, wenn ich es geschafft hatte. Und es macht mir riesig Spaß, dabei zu begleiten. Erschöpft und glücklich sind wir, als alle Segel wieder stehen, volle Fahrt Richtung Martinique. Vom schönen Holzdeck ist vor lauter Tampensalat nicht mehr viel zu sehen. Ich frage Steuerfrau Kathrin, ob sie nicht vielleicht ganz dringend noch etwas Theorie auf der Brücke mit uns machen muss. Könnte das Aufräumen nicht die nächste Wache übernehmen? „Ich höre mit“, protestiert Corinna, Toppsgastin der 0-4-Wache, mit vollem Mund. Sie hat sich mit ihrem Mittagessen nach draußen in die Sonne gesetzt. Na gut. Dann machen wir das eben noch. Alle Tampen werden wieder sortiert und im Schanzkleid, an der Brücke oder sonst irgendwo kreativ hochgebunden, und die Nagelbänke können sich auf ihre nächste Lackschicht freuen.
Hungrig zu essen ist einfach gut und danach falle ich in die Koje. Die spannende Ausbildung am Nachmittag über Strömungen verschlafe ich leider. Aber Alicia hat mir ein Pfirsich-Blätterteig-Teilchen vom Kaffeetrinken aufgehoben. Der Spätnachmittag ist also gerettet. Da fällt mir ein, das Reinschiff haben wir vergessen, nun steht es in der Freiwach-Zeit an. Hmm. Wir sind heute mit Deckspülen dran. Zum Glück können meine Deckshand Pauline und ich Conni überzeugen, dass es heute mal ausfallen kann. Immerhin ist es heute gar nicht sooo warm und es geht eh die ganze Zeit Spritzwasser über. Die Wache 2 übt sich unter ihrer Anleitung im Spleißen und stellt Plattlinge her. Ich geselle mich zu der immer größer werdenden Gruppe von Sängerinnen, die begleitet von Gitarre und Ukulele auf dem Vorschiff den Sonnenuntergang ansingen. „An Tagen wie diesen“ von den Hosen trifft meine Stimmung heute ziemlich gut. Bis mir einfällt, dass ich vergessen habe einzuteilen, wer die Tagesmeldung schreibt… Na, dann muss ich eben mal ran. Dann kann ich auch meinen kleinen Silas und Ronja grüßen, die ich beide sehr vermisse. Und alle anderen an Land Gebliebenen. Fühlt Euch gedrückt von Anke
Simon, ich wünsche dir viel viel Erfolg für morgen!! Deine Laura