Tagesmeldung vom 08.08.2023
Vor Anker bei Sejerö
Position 55°53,6 N|011°14,2 E
Kurs, Speed 270 | 0kn
Etmal 84nm
Wind W – 9bft
Luftdruck 997 hpa
Bedeckung 4/8
Temp (L/W) 16°C, 17°C
Sanft wiegt in der einen oder anderen Nacht die gute Brigg uns in den Schlaf. Doch nun war kein Halten mehr. Es war eine Nacht, um die Leebretter zu riggen, eine, in der ein Bein als Anker geworfen werden kann, um nicht aus der Koje zu rollen, oder für jene in den oberen Kojen es nur noch hilft, sich zu verkeilen, um nicht in die Tiefen der Kammer zu stürzen.
In den letzten Tagen hatte es sich eingeregnet, die See baute sich zunehmend auf, nun wurde der Wind auch noch deutlich stärker. Bereits als wir den Törn starteten, wart uns vom Kapitän gesagt, dass in den Geschichten immer von etwas mehr Wind gesprochen wird, als er reell vorliegt. Doch Schluss mit all dem Garn der Seeleute, unsere Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel. Wir hatten Sturm, wahrlich Sturm! Der Wind fegte durch das Schiff, es wehte und pfiff nur so vom Deck.
Bevor die Wache um Mitternacht überhaupt begann, gab es eine dezimierte Wache zu verzollen. Es war keine Nacht, in der die Seekrankheit auf der Brücke mit einer kuscheligen Decke verbracht werden könnte. Zwar hatte der Regen sich mehr oder minder eingestellt, doch die überkommende Gischt würde einen jeden Tee versalzen. Dann lieber mit Salzgebäck unter Deck.
Die Strecktaue waren noch immer gespannt, allerdings zogen wir einen Wachwechsel auf der Brücke vor. In der völligen Dunkelheit blieb bloß übrig, die Namen der Wachmitglieder aufzurufen, um die Vollzähligkeit zu prüfen. Kaum war der Wachwechsel vollzogen, war der vermeintlichen Freiwache 3 das Pflichtbewusstsein ihrer Seemannschaft deutlich bewusst.
Bereits in den letzten Stunden hatten sie unsere Sturmsegel, die Marsen, an beiden Toppen geborgen. Nun folgte sukzessive das Bergen der verbliebenden Stagsegel. Um uns herum hätten wir einwandfrei die Lichterführung von Schiffen üben können. Doch die Zeit für diese Praxiseinheit konnten wir uns leider nicht nehmen. Der Fokus lag auf den Segelmanövern.
Ein letztes Mal für die nächsten Stunden wurden Rudergänger und Ausguck gewechselt. Anstrengung und Freude lag in ihren durchnässten Gesichtern. Die Fallen wurden klar zum Laufen ausgelegt, die Schoten wurden auf Standby gehalten. Stück für Stück, von Fixpunkt zu Fixpunkt, arbeiteten sich wackere Crewmitglieder vor bis zu den Niederholern, stellten sich Fuß an Fuß hin und meldeten ihre Position klar. Allerspätestens jetzt, wo in den tosenden Winden die Worte verwehten, ist klar, wofür die Kommandosprache an Deck notwendig ist.
Alle standen bereit, der Schrei des Toppsgasten erklang ‚Klar an der Schot, holt durch den Niederholer, fiert auf das Fall!‘ Wie gerne hätten wir das Rauschen der Lögel an den Stagen gehört, doch sie verstummten im Tosen des Sturmes. Der Wind fegte in das Segel hinein und ließ es nicht fallen. Zusammen, Hand über Hand holten wir den Niederholer durch. Die Schot wurde im rechten Moment bedient, sodass uns das Segel nicht riss. Sobald die Segel geborgen waren, wunden sich drei Menschen unmittelbar Zeiser um dem Leib und zogen auf den Klüverbaum. Rasmus, die See, der Wind, der Sturm, war rau. Fest am Sicherungsstandard des Klüverbaums fixiert, stürtzten sie in die Wellen. Doch Regenhosen nützen nichts, wenn das Wasser oben hineinläuft.
Unsere Maschine lief, der Geruch von Öl lag in der Luft, sobald durch den Quergang der Weg zur Navigation beschritten wurde. Überlegungen zu Brassen wurden verstrichen, der Kurs wurde geändert. Wir waren auf der Suche nach Schutz. Auf dem Weg zum ersehnten Ankerplatz wurde endgültig das Deck erhellt. Die vereinten Wachen standen ums Gangspill. Jene, die an ihre Belastungsgrenze kamen, gingen in ihre Kojen. Ganze acht Menschen hielten sich dafür im Stande, die Rahsegel beizufangen. Weitere blieben an Deck zum aufklaren und bedienen der Tampen.
Die Segel wurden von Luv nach Lee beigefangen, eine Person hielt das Segel fest, die zweite wand diagonal den Zeiser herum. Erst zuletzt ließen wir lose auf die Schoten geben. Der Kapitän ging über das Deck und rief die Crew hinunter, die Obermarsen waren beigefangen, die Untermarsen mussten warten. Zurück an Deck kehrte Ruhe ein. Der Kapitän stand auf der Brücke mit dem Blick nach vorn. ‚Fallen Steuerbordanker!‘ erklang erst von der Brücke, dann von der Ankerwinde. Die Kette fiel, Rost blätterte sanft von den starken Kettengliedern. Stück für Stück wurde ein Schäkel nach dem nächsten nachgesteckt. Bei vier Glasen kehrte Ruhe ins Schiff. Kurz darauf wanderte eine weitere Kettenlänge über die Kettennuss. Alles was ging, war zu Wasser.
Die Kette war noch immer steif. Sicher ist sicher, seicht tuckerte unsere liebe Emma vor sich hin. Der Wind toste, die Wellen tobten, doch bis auf die Ankerwacht hatte der Großteil der Crew Zeit zu ruhen. So anstrengend die Nacht auch gewesen sein mag, desto unspektakulärer war der Tag.
Wir wetterten vor der dänischen Insel Sejerö ab. Wir speisten und ruhten, sammelten neue Kräfte. Nach der Kaffeepause ging es Ankerauf. Nun tuckern wir wieder vor der dänischen Küste vor uns hin. Der Süden ruft.