Tagesmeldung vom 03.11.2023
Törn 0829 | Ostsee, Nordsee und Mor Breizh
Portsmouth im Hafen
Position 50°48,5′ N|001°05,5′ W
Kurs, Speed 182 | 0,0kn
Etmal 0nm
Wind SSW – 3bft
Luftdruck 984 hpa
Bedeckung 4/8
Temp (L/W) 13°C, 13°C
Liebe Leute an Land, liebe Eltern,
wir sind immer noch im sicheren Hafen von Portsmouth, mittlerweile an einem anderen Liegeplatz, aufgrund der Wetterbedingungen sind Liegeplätze in diesem Hafen sehr begehrt und die Hafenverwaltung tut ihr Bestes, um möglichst vielen zu helfen.
Wir haben die Zusage, hier solange liegen zu können, bis es für uns ein gutes Zeitfenster gibt, um unter guten Bedingungen weiterfahren zu können. Kontinuierlich beobachten wir das Wettergeschehen, vor Montag kann aber noch keine Entscheidung über das Auslaufen getroffen werden.
Die Schülerinnen und Schüler an Bord machen heute einen Landgang und besuchen mit ihrem Lehrer Herrn Borning das D-Day-Museum. Für den morgigen Tag ist es angedacht, dass Unterricht gehalten wird, sowohl von Herrn Borning als auch an diversen Themen von der Stammcrew.
Uns wachsen die Schülerinnen und Schüler immer mehr ans Herz und begleiten sie gerne bei ihren kleinen Sorgen wie Heimweh, Liebeskummer, oder anderen altersgemäßen Nöten.
Aus Sicht der Stammcrew ist die Lernkurve groß. Insbesondere das zwischenmenschliche Miteinander ist schön zu beobachten.
Ich halte Sie gerne informiert und grüße recht herzlich aus Portsmouth.
Ulrich Komorowski, Kapitän
P.S.: Als Anlage Berichte weiterer Stammcrew.
—
STS „Roald Amundsen“
Der Toern 0829 endet – wir lagen “vor Wind“ wie wir Alten sagen, in Portsmouth – mit einem spektakulär – niedrigem Luftdruck von 958hPa (mb für alte Leute), den dieser Seemann mit seinen nun 67 Jahren zur See noch nicht erlebt hatte – bei schlichtem West Bft 5 – zu nahe am Zentrum des Orkantiefs um viel mehr Wind zu haben.
Das Barographenplot vom 31.X.-03.XI.2023 siehe Anhang.
Unser Anlaufen von Portsmouth war sorgfältig recherchiert und kalkuliert. Wir hatten die Wetterentwicklung – wie immer auf einem Seeschiff – mit allen verfügbaren Daten (WX, Grib Files, Frontensynopsis, eigene Beobachtungen – das sind oft die Wichtigsten) verfolgt. Die Auswertung der alten Segelhandbücher unterstützte unsere Entscheidung Schutz im Nordteil des Kanals zu suchen und den schweren Seegang der Bretagneküste zu meiden.
Mit Hilfe der britische Hafenverwaltungen und der LandOrg des LLaS hatten wir einen sicheren Liegeplatz im Containerhafen von Portsmouth zugewiesen bekommen. (Portland, ehem. Stüzpunkt der RN)
Nicht sehr malerisch und verbunden mit Sicherheitsauflagen wie sie die britischen Trade Unions fuer ihre Mitglieder fordern (Sicherheitshelm, Sicherheitsweste, Rettungsweste bei Arbeiten an der Kaikante), Check-in am Hafeneingang (obligatorisch seit 9/11 in allen kommerziellen Handelshäfen) – aber sicher und machbar, das Material wurde, freundlicher Weise, von Land gestellt.
Nachdem der anfängliche Seebetrieb beendet war konnten gestern, am 02.XI., auch die ersten, geplanten Weiterbildungsblöcke für die Schüler angegangen werden. Zur Einstimmung auf das Erlebnis “England“ gab es einen einstündigen Vortrag zur Geschichte Großbritanniens & Irlands „Von Skara Brae und Stonehenge bis zum Vertrag von Versailles und seinen Folgen für GB“.
Der Törn 0830 beginnt und nun läuft der Crewwechsel der Stammcrew, eine logistische Herausforderung mit beschränkten Mitteln, einige Zeitpläne gehen dabei zu Bruch – aber Seeleute mussten schon immer flexibel sein.
Kapitän Uli Komorowski und seine Steuerleute beobachten kritisch das Wetter der nächsten Tage, eine gute Chance, aus heutiger Sicht, scheint sich am Dienstag, den 07.XI. zu ergeben, wie bei jeder Planung Savety first!
Mike Marquardt, Steuermann Törn 0829
(Kpt AM, Schiffsing C6, FKpt a.D.)
—
Nach einer wohlverdienten Hafenzeit für die Schüler und die Stammcrew sind die Batterien wieder voll aufgeladen sowohl körperlich und geistig.
Es wurde viel geschlafen und sehr viel sehr lecker gegessen. Vielen Dank an unsere (fast) italienischen Pizzabäcker in unserer Kombüse. Die Stimmung ist ausgelassen in den Gemeinschaftsräumen und lebhaft auf den Fluren. Pokerspielen und Musik zaubern immer wieder lächelnde Gesichter. Die Schüler harmonieren ausgesprochen gut.
Mehrere Landgänge mit kultureller Abwechselung befriedigten intellektuelle Bedürfnisse auch wenn die Schritte immer noch schwanken, wie die Wellen im Ärmelkanal es vorgaben. Portsmouth wartet mit überaus sehenswerten Museen wie zum Beispiel über die ‚Mary Rose‘ auf.
Die große Konzentration der Schüler beim Unterricht beeindruckte die Dozenten.
Auch seemännisch und in den reduzierten Wachen mit einem sehr britischen Tee in der Hand vergingen die paar Stunden müßig.
Die Erholung war merklich mit einer deutlichen Abnahme der Miniprobleme und einem vollständigen Auskurieren jeglicher anderen aufgetretenen Beschwerden.
Die erhaltene Seefestigkeit, die gute Einarbeitung in das Schiffshandwerk und die Gewöhnung an die Wachzeiten lassen uns mit besten Voraussetzungen in Richtung Spanien blicken.
Moritz Friedrich, Bordarzt Törn 0829
(Arzt)
—
In den letzten zwei Wochen konnte sich eine bunte Gruppe verschiedener Menschen zu einer Crew an Bord zusammenfügen. Anfängliche Herausforderungen des Wachbetriebes wurden zunehmend gut gemeistert. Während zwei Drittel der Crew ruhen können, trägt der dritte Teil der Besatzung durch den Wachbetrieb den Schiffsbetrieb am Laufenden und übernimmt Verantwortung für den See- oder Hafenbetrieb des Schiffes. Viele Dinge waren neu, der vermeintliche Irrgarten aus Segeln und Tauwerk wird Tag für Tag klarer, sodass eine jede Person ihren Teil zum Schiffsbetrieb leisten kann. Die Stimmung ist ausgelassen, und die Klasse scheint einen guten Zusammenhalt zu haben. Doch auch die Verbindung mit der Stammcrew besteht, sodass neben herzlichen Verabschiedungen scherzhafte Ausrufe ertönten, wir sollen die abreisenden Stammcrewmitglieder an den Mast festknoten. Doch ebenso erwarten wir in Freude den kommenden Abschnitt der Reise mit neuen Wachen, sodass Schülerinnen und Schüler ebenso wie die neuen und alten Stammcrewmitglieder sich in den Gruppen des zweiten Abschnitts der Reise in den Süden neu kennenlernen werden.
Der Kapitän hat mit dem Lehrer der Klasse Unterrichtsinhalte abgestimmt, sodass Bordbetrieb und Unterricht verzahnt ineinander an Bord gelebt werden können. So werden bis Teneriffa alle Schülerinnen und Schüler etwa für das Mathematikfach Dreisatzrechnungen, Strahlensatz, Dreieckskunde, Winkelberechnungen und Prozentrechnung beherrschen. Doch auch nach Diskussionen, was denn ‚Viertel-drei‘ für eine Zeitangabe wäre und anschließen reger Diskussion, dass selbst Verabredungen wegen solcher Angaben verstrichen seien, beschloss der Toppsgast der Wache 1, dass die ein oder andere Zeitangabe in Bruchrechnungen und Wurzelaufgaben mitgeteilt werden. In der Wache 2 wurden sogar erste Wachen komplett in der englischen Sprache abgehalten. Ganz zu schweigen von der musikalischen Entfaltung der Wache 3. Derweil ist an den Nachmittagen die Messe gefüllt mit dampfenden Teetassen ebenso wie mit dampfenden Stiften von den Niederschriften in den Logbüchern der Schülerinnen und Schüler.
Vielleicht ist es in diesem Augenblick schwer vorstellbar: Frisch sind noch die Emotionen, der Mühen und des Einsatzes diese große Reise zu ermöglichen. Real sind jene Füllen der Emotionen aktueller Momente, welche ein jedes Crewmitglied mit all den Freuden und neuen Hürden erlebt. Wir alle wachsen miteinander. Wenn die Schulklasse wieder zurück sein wird, werden auch die Freunde und Familien andere Menschen vor sich haben. Und in all der Fülle der Erzählungen ihrer Erlebnisse wird auch das Ankommen zurück im ‚echten Leben‘ Eingewöhnung erfordern. Doch gerade dieses stetige Wachstum, das Zusammenleben auf dem engen Raum eines Schiffes, zusammen zu speisen, Zimmer zu teilen, zu kochen, zu putzen, miteinander umzugehen, zu leben, all dies ist etwas, dass Roaldies die länger Fahren hier so lieben, und gerne weitergeben. Im selben Zuge, wie sich auch Erwachsene im Spiegel eines jeden Gespräches mit Jugendlichen immer wieder neu kennenlernen dürfen. Wir sind dankbar für all den Einsatz, für all den Mut, uns auf Meer hinaus zu lassen. Für alles was wir hier erleben dürfen und für unser Leben mitnehmen werden.
Arne Amir Azazi, Toppsgast Wache 1 Törn 0829
(Master of Engineering)
—
Ich habe als Toppsgast schon viele Wachen zusammenwachsen sehen auf den Törns des Segelschulungsschiffes Roald Amundsen. Und so ist der wachsende Teamgeist in meiner Wache nicht unerwartet, aber überdurchschnittlich erfreulich und positiv. Ich hatte das große Glück bereits die Klassenreise mit diesen Schülerinnen und Schülern im Juni 2022 gefahren zu sein und rückblickend sage ich – diese Klassenfahrt letztes Jahr war einer der schönsten Törns der letzten Jahre. Und diese Eindrücke und Erinnerungen an die Klasse haben maßgeblich dazu beigetragen, dass ich mich entschieden habe die zwei Monate komplett mitzufahren und diese Klassenreise jetzt als Toppsgast zu begleiten. Und nach dem ersten Abschnitt wurde meine Entscheidung bestätigt. Ich habe in den letzten 14 Tagen 8 Schülerinnen und Schüler während der Wache besser kennen lernen können. Jeder einzelne von ihnen ist eine Bereicherung für unsere Crew und die Gemeinschaft an Bord.
Die Wachzeit 4-8 Uhr und 16-20 Uhr ist für die Schülerinnen und Schüler ungewohnt, weil das sehr frühe Aufstehen erst der Gewöhnung bedarf. Alle aus meiner Wache haben sich gut geschlagen und mir gezeigt, dass sie die Verantwortung, die wir für den Schiffsbetrieb währende der Wache übernehmen, ernst nehmen. Gleich zu Beginn konnten wir als Wache lernen und üben wie wir am Heck mit den Festmachern arbeiten, weil wir viele Anlegemanöver hatten: Kiel, Schleuse, NOK. Und mit Freude habe ich die Schülerinnen und Schüler wachsen sehen. Die Freude über eigene Erfolgserlebnisse in den Augen der Kinder zu sehen ist für mich das größte Lob als Ausbilderin an Bord. Der Anleger in Helgoland hat einigen meiner Trainees eine kleine Auszeit gegeben, sich von den ungewohnten Bedingungen auf See zu erholen und ich selbst war auch etwas seekrank und war froh über den Zwischenstopp.
Nachdem Ablegen in Helgoland begann unsere Reise in der Nordsee und forderte von uns Durchhaltevermögen und Rücksichtnahme auf unsere Mitmenschen und Unterstützung. Ich darf ohne Ausnahme sagen, dass alle aus meiner Wache dies bewiesen haben. Und ich finde, dass Durchhaltevermögen an Bord besonders gut geschult werden kann, weil man als Team, als Gemeinschaft nur zusammen ans Ziel kommt. Da wir im Englischen Kanal unterwegs waren, beschlossen wir in Wache 2 einige Wachen komplett auf Englisch durchzuführen. Ohne dass wir es wussten, haben wir für unseren Landaufenthalt in Portsmouth geübt und es hat super funktioniert. In den letzten zwei Tagen auf See stellte ich fest, wie wir als Gruppe zusammengewachsen sind und dieses Gefühl erfüllt uns. Im Hafen verbringen wir eine sehr schöne Zeit mit Erkundungen der Umgebung, Musizieren und tollen Gesprächen. Ich freue mich sehr die Gelegenheit bekommen zu haben, Teil dieses einzigartigen Erlebnisses zu sein und diese jungen Menschen ein Stück in ihrem Leben zu begleiten.
Heute sind noch zwei Schülerinnen angereist, die wir herzlich an Bord willkommen heißen und uns sehr freuen, dass wir nun komplett sind. Nun warten wir noch auf anreisende Stammcrew, die aufgrund des Wetters Änderungen in ihren Anreiseplänen hat. Wir freuen uns alle auf die bevorstehende Reise und blicken mit großer Vorfreude auf unseren nächsten Halt in Vigo.
Kristina Sonnenberg, Toppsgast Wache 2 Törn 0829
(Dipl. Wi.-Ing.)
5 Responses
Das alles macht mich unglaublich froh zu lesen.
Vielen Dank und ganz herzliche Grüße
PS Grüße gehen raus; besonders an meinen Sohn Mio 🙂
Vielen Dank für die schönen und liebevollen sowie ausführlichen Zeilen, ich reise ein bisschen in Gedanken mit!
Jolly good! Thanks for all your updates! From escaping a monster storm that clocked record-high winds of more than 150 km/hr, to sighting an aircraft carrier and drinking cuppas in a commercial port, you’ve already had quite the journey!! Onwards and now Godspeed to the Spanish sunshine! Best wishes from Babette‘s „mum“…
Wunderbar die ausführlichen Berichte der Begleiter und Verantwortlichen.
Diese Erfahrungen mit Ihnen und allen Anderen an Bord werden die Schüler in ihrem ganzen Leben nicht vergessen.
Vielen herzliche Dank und gute Heimfahrt oder besonders gute Weiterfahrt.
Herzlichst,
Jamiro’s Oma