SSS/ SHS Kurs

SSS/ SHS Kurs

Bericht SSS/SHS Kurs 12.-19.01.2025                                 Hamburg-Harburg, 19.01.2025

Damit die Traditionsschiffe weiterhin in Fahrt bleiben, sind viele Bedingungen zu erfüllen. Unter anderem ist die Qualifizierung der Stammcrew ein zentraler Aspekt. Das bedeutet, dass die Menschen an Deck, in der Maschine und auf der Brücke entsprechende Ausbildungen durchlaufen und wo notwendig auch Zertifikate vorweisen können. So brauchen die Nautiker auf der Roald Amundsen mindestens den Sportseeschifferschein mit Zusatzeintrag Traditionsschiffer und danach den Sporthochseeschifferschein. Die Vorbereitung auf die amtlichen Prüfungen ist umfangreich. Um den nautischen Nachwuchs zu fördern und die Weiterbildungen etwas zu beschleunigen, wurde während der langen Winterwerftzeit von Kapitän Thilo Fink ein SSS/SHS Kurs vorbereitet und durchgeführt, mit dem Ziel viele Menschen auf einmal für die Prüfungen fit zu machen. Was an den einzelnen Tagen passiert ist, lest ihr nachfolgend:

Sonntag 12.01.

Ein einwöchiger SSS-/SHS-Kurs, den Thilo Fink für Interessierte von der Roald Amundsen und befreundeten Schiffen gab: Eine ganze Woche lang, vormittags Werfthilfe, dann ab mittags Unterricht bis in den Abend hinein. Die Tasche war voll, mit warmen Werftklamotten und viel Literatur für den Kurs.

Mit Sonnenschein am Nachmittag begrüßte Hamburg die frühen Anreisenden. Die Roald lag im Hafen von Harburg vor mir: Unter einem Zelt ist das Deck gerade wieder im Aufbau, die Kammern begrüßten uns frisch renoviert, die Kombüse war schon halb demontiert und sollte in den kommenden Tagen ganz entfernt werden. Super spannend bei so einem Schiff unter Deck und hinter Verkleidungen zu gucken.

Um 18.30 ging es einmal halb um den Harburger Hafen, von der Roald zur Mississippi, wo wir in den Räumen vom Clipper e.V. unseren Kurs hatten, betreut und verpflegt von Peter + Michaela. 20 Leute wollen sich auf den nächsten Sport(hoch)seeschifferschein vorbereiten, als SSS oder SHS, und damit auf dem Weg weiterkommen, als Nautiker/innen fahren zu können. Um 19.00 standen wir beieinander und wurden von Thilo mit einem kleinen Champagner-Empfang begrüßt und eingeschworen. Nach einer Vorstellungsrunde und Orga-Details ließen wir den Abend nett ausklingen.

Montag 13.01.

Der erste Tag der Ausbildung begann. Am Vormittag arbeiteten die Teilnehmer auf der Werftzeit. Diese körperliche Tätigkeit war eine gern gesehene Abwechslung zur nachmittäglichen geistigen Herausforderung. Nach dem Mittagessen auf der Mississippi startete der Kurs mit Inhalten der terrestrischen Navigation. Da es ein Kombi-Kurs ist, wurden sowohl Inhalte für den SSS als auch SHS behandelt. Angefangen mit dem Aufbau einer Seekarte, der Mercatorprojektion, der wichtigen nautischen Publikationen über Reiseplanung, ging es zu verschiedenen Möglichkeiten der Positionsbestimmung. Besonders interessant waren die doppelte Horizontalwinkelmessung und doppelte Seitenpeilung. Nach dem Abendessen um 18.00 Uhr führte uns die Reise weiter zur terrestrischen Kompasskontrolle und zum Radargerät. Um 21.00 Uhr beendeten wir den Kurs und gingen voller neuer Erkenntnisse (SSS Teilnehmer) bzw. einer sehr guten Auffrischung (SHS Teilnehmer) zurück zum Schiff, um den Tag mit der restlichen Roald-Crew ausklingen zu lassen.

Dienstag 14.01.

06.00 Wecken, Frühstück und los geht’s. Das System wurde etwas umgestellt: Vormittags Kurs, Nachmittags machte eine Hälfte von uns Werftzeit, die andere Hälfte übte sich an Aufgaben, und abends lernten wir wieder zusammen.

Am Vormittag ging es um die verschiedenen Aspekte der elektronischen Navigation, mit allen Belangen von GPS über ECDIS und AIS bis RADAR, außerdem um den Einstieg in die Gezeitenrechnung. Nach Yummie-Fisch und Kartoffelsalat wurde in der Werft die Kombüse bis auf den Stahl abgebaut, andernorts geschliffen und lackiert, die SSS-Leute wiederum machten sich an die erste Kartenaufgabe. Abends vertieften wir uns dann in die Gezeitenaufgaben, ankerten vor Carteret, gingen wieder Anker auf und rechneten uns zum Beispiel aus, innerhalb welcher Zeit am 19.04.2005 mit der Roald Amundsen mit TG 4,3m (WuK 0,5m) in das Hafenbecken Bassin de Commerce in Cherbourg eingelaufen werden kann, ohne uns den Abend zu versauen, wenn die Zufahrt an der flachsten Stelle eine KT von 0,9m hat.

Mittwoch 15.01.

Da wir ziemlich viele Leute waren, wurde die Gruppe geteilt. Die SSS-Teilnehmer engagierten sich am Vormittag auf dem Schiff, während die SHS Teilnehmer schon um 08.00 Uhr auf der Mississippi mit Übungen zu Kartenaufgaben starteten. Am Nachmittag waren wir wieder zusammen im Kurs und es ging im Voll Voraus mit den Inhalten weiter. Nach einem spannenden Ritt durch Besteckversetzungen (nein, das hat nichts mit dem Abendessen zu tun) und den drei Verfahren der Besteckrechnung (Besteckrechnung nach Mittelbreite, nach vergrößerter Breite und Großkreisnavigation) wechselten wir das Fach und es ging um Wetterkunde, zunächst die Inhalte des SSS, wie Nebel, Luftdruckgebiete, Tiefdruck, Fronten, … Gegen halb fünf wurde es in der letzten Reihe etwas gesprächiger, woraufhin unser Ausbilder die motivierten Worte an uns richtete: “Jetzt nicht unkonzentriert werden, wir haben nur noch 5 Stunden heute”. Nach dem Abendessen ging es weiter dann mit tropischen Wirbelstürmen und der dazugehörigen Routenplanung und Manövertaktik.

Donnerstag 16.01.

Gute Traditionen soll man beibehalten… Es war Donnerstag und so gab es sogar auf der Werft das Seemanns-Sonntag-Rührei! Danke, Backschaft! Am Vormittag waren noch mal die SSSler auf der Werft, die SHSler übten sich an fortgesetzter Navigation. Ab dem Chili-Mittag ging es wieder gemeinsam ans umfangreichste Fach: Seemannschaft! Zwar haben wir alle als befahrene Tradi-Segler dazu viel zu sagen, aber jetzt rückten die besonderen Aspekte des Yachtsegelns in den Fokus, mit ganz neuen Aspekten: MOB-Manöver unter Spinnaker z.B., Stabilität der Yacht etc. Wie gut, dass wir andere Aspekte kurz halten konnten angesichts der intensiven Notrollen-Übungen an Bord. Andere Details wurden in Tiefe behandelt, z.B. Hafen- und Ankermanöver. Kurz vor 21 Uhr, als bei den meisten die Köpfe rauchten, sagte Thilo enthusiastisch “und jetzt noch 20 min Handhabung des Sextanten” – also noch keinen Feierabend. 21:20 war dann endgültig Ende mit dem für viele sehr langen und lehrreichen Tag. Morgen sollen wir dann in die Astronavigation komplett eintauchen.

Freitag 17.1.

Am Vormittag halfen wir an Bord bei den Instandhaltungsarbeiten. Zum Mittagessen ging es wieder zur Missi und gleich danach startete eine einmalige praktische Übung: 20 Leute mit 14 Sextanten, übrigens aus unterschiedlichen Epochen, standen auf dem Gelände von Clipper e.V. und maßen die Höhenwinkel von Dalben, Strommasten und Gebäuden. Wir genossen die frische Luft und den regen Austausch miteinander. Die Einweisung in die Handhabung führten Thilo Fink und Mike Marquardt durch, ein sehr befahrener Steuermann auf der Roald, der früher beruflich zur See fuhr und auch viele Jahre Yachterfahrung auf Ozeanen hat. Zurück im Schulungsraum ging es an die verschiedenen Darstellungsformen der Zeit und die Berechnung der beobachteten Höhe. Außerdem holten wir tief aus unserem Gedächtnis die Kenntnisse trigonometrischer Berechnungen hervor und überführten unsere Vorstellungen aus dem zweidimensionalen in die räumlich kugelförmige Vorstellung. Im sphärisch-astronomischen Grunddreieck kann aus den bekannten Seiten, nämlich der Polzenitdistanz (90° – ), der Poldistanz (90° – ) und dem Ortsstundenwinkel t die Zenitdistanz (z = 90° – h) des Himmelskörpers und das dazugehörige Azimut berechnet werden, dass uns dann nach dem Verfahren der Höhenmethode von Saint Hilaire den beobachteten Ort liefert. Zur Bestimmung unseres beobachteten Orts brauchen wir mindestens zwei Standlinien, die mittels Höhenwinkel und Azimut grafisch konstruiert werden, und einen Koppelort. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Bildpunkt des Gestirns.  Immerhin dreht sich die Erde in 24h um 360° und damit wandert der Bildpunkt pro Stunde 15° weiter. Wenn man astronomische Navigation betreibt, ist ein Buch unverzichtbar: der nautische Almanach. Mit der Zeit lichtete sich der Nebel in unseren Köpfen, was das Nachschlagen der einzelnen Kenn- und Berichtigungsgrößen angeht. Der Umgang mit dem Taschenrechner wurde auch geübt und praktische Tipps zur effizienteren Nutzung in der Prüfung ausgetauscht. Hat man nun die berechnete Höhe und damit die Differenz zur beobachteten Höhe und das Azimut der Sonne, geht es an das graphische Lösen der Aufgabe, in dem man auf eine selbstgezeichnete Karte die Azimute und die Standlinien einträgt und somit den Beobachteten Ort bekommt. Das alles benötigt viel Übung und somit beschäftigte uns das bis in den späten Abend….

Samstag 18.01.

Am Vormittag Nautik Rechnen und Üben nach Bedarf (oder Werftzeit), am Mittag und Abend Astro-Navigation und schließlich noch ein Häppchen Recht. Morgen Abend wird der Kurs schon vorbei sein… Während der Mittagspause besichtigten wir den Seeschleppdampfer “Woltman”, der unter Denkmalschutz steht. Zurzeit liegt er im Museumshafen Harburg. Übrigens war Harburg den ganzen Tag in dichten Nebel gehüllt!

Sonntag 19.01.

Heute Vormittag ab 10.00 Uhr wurde für einen Teil des Kurses eine Wiederholung des am Freitag Gelernten eingelegt. Danach wurde über das Schifffahrtsrecht und alle damit wichtigen Regelungen gesprochen. Am Nachmittag, als alle wieder gemeinsam im Kurs waren, setzten wir uns weiterhin mit der astronomischen Standortbestimmung auseinander. Neben dem Nutzen des nautischen Almanachs, der sich ein bisschen vom deutschen nautischen Jahrbuch unterscheidet, und der Formeln, gibt es die Möglichkeit ohne Taschenrechner nur mit Almanach und den HO Tafeln zu arbeiten. Die HO Tafeln beinhalten etliche Berechnungen und Beschickungen für bestimmte Latitude und die Ortsstundenwinkel. Jedenfalls nahmen Rechenbeispiele und das Nutzen dieser nautischen Veröffentlichungen einen Großteil des Nachmittags ein.

Vor dem Abendessen wurde in der Feedbackrunde ein riesiger Dank an Thilo ausgesprochen, für die sehr aufwendige Vorbereitung und die unerschöpfliche Leidenschaft und Professionalität, mit der er uns in den letzten 7 Tage angesteckt hat. Viele waren sich einig: Diese Woche hat sich angefühlt wie ein Törn. Das bleiben einmalige und unvergessliche Momente. Herzlichen Dank an Thilo Fink für die Vorbereitung und Durchführung, danke an den Clipper e.V. für die Nutzung der Räumlichkeiten und für die hervorragende kulinarische Versorgung durch eure Smuts.

Nun reisen die meisten ab und bereits der nächste Kurs für unsere Stammcrew zum Erwerb des SBF See steht vor der Tür, welcher vom 19.01.-26.01. ebenfalls von Thilo durchgeführt wird. Wir wünschen viel Erfolg!

Verfasser: Thomas Laschinski, Kristina Sonnenberg

One Response

  1. Horst Bienert sagt:

    Also zunächst mal Danke an Kristina und Thomas für Euren tollen Bericht! Ich habe unglaublich Lust bekommen, dabei gewesen zu sein (auch wenn ich die betreffenden Prüfungen schon lange abgelegt habe, aber genau deshalb hätte es mir sicherlich viel Freue gemacht). Vor allem aber ganz große Hochachtung für Thilos Leistung, so viel so komprimiert zu vermitteln und dabei auch noch so, dass es ganz offensichtlich auch gut ankommt!
    (P.S. Bild 1 ist doppelt, Bild 2 fehlt)

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