Tagesmeldung vom 17.02.2023

Tagesmeldung vom 17.02.2023

Tagesmeldung von Bord
Törn 0796 | Jost van Dyke – Bermuda
atlantic

Position 32°05,9′ N|064°20,1′ W
Kurs, Speed 350 | 6,2kn
Etmal 21nm
Wind S – 1-2bft
Luftdruck 1027 hpa
Bedeckung 3/8 cu
Temp (L/W) 22°C, 22°C

Auch bei Flaute kann man auf der Roald vieles erleben, besonders an Altweiberfasching:
Der Toppsgast der Wache drei versucht den normalen Wach- und Ausbildungsbetrieb nach Plan aufrecht zu erhalten, doch heute läuft alles aus dem Ruder. Schon zum Frühstück erklingt Karnevalsmusik, die im Laufe des Vormittags einen Wal anlockt. Es muss sich um ein seltenes Exemplar der Gattung Karnewal handeln. Das wollen wir uns genauer ansehen. Also: Klar bei Badehosen, an die Taucherbrillen und rein ins spiegelglatte Blau. Baden fernab vom Land bei 3000m Wassertiefe, tief genug um sich wag-halsig am Tampen ins Wasser zu schwingen.

Auf der Brücke hat Captain Picard den Steuermann der Wache drei abgelöst und das Kommando übernommen, Maschinist Andreas hat eine Doppelgängerin, die Wanten und MOB-Bojen laufen durch die Gegend und Pippi Langstrumpf ist von der Hoppetosse zu Besuch.

Schon am Vorabend wurden Messe und Brücke festlich geschmückt: Kurzerhand wurden der schon etwas in Mitleidenschaft gezogene Toppen-Flaggensatz zur Girlande umfunktioniert und Blüten aus Servietten gebastelt.
Pünktlich um 11:11 Uhr zieht die bunte Jecken-Polonaise dann unter laut schallendem „Viva Colonia“ über das Deck um das Prinzenpaar Prinz Olle und Roaldina zum feierlichen Brückensturm abzuholen. Der Captain übergibt den (Maul-)Schlüssel an den Prinzen und wir übergeben ihm hiermit das Wort:

„Es wird Zeit! Nieder mit dem ewigen Motorengeräusch! Seit Tagen rollen wir hier nun durch die Gegend und sind mehr mit dem Festkrallen am Bettlaken als mit Schiffserhalt beschäftigt! Stumpfes Rostrot leuchtet in der Takelage, die Fallketten sind bereits festgerostet! Stattdessen nimmt der Bordkoller überhand, Nägel werden lackiert und Haare in den seltsamsten Farben getönt – Ach was waren das doch für Zeiten, als man modisches Primergrün in Sprenkeln trug – Stattdessen hört man in der Messe nur noch Freyja, Nina und Micha diskutieren, ob pink nicht doch lila ist, und dass lila nicht eher pink sei! Bibis Beauty Palace hat Einzug erhalten hier an Bord und was wird dagegen unternommen? Nichts! Ganz im Gegenteil! Schamlos versuchen die drei, weitere getreue Mitglieder unserer Crew zu willenlosen Vasallen zu machen, Toppsgast Amir berichtet sogar von den ersten gräulichen Haarverfärbungen! Ein Wunder, dass es ihn nicht auch schon erwischt hat, nachdem er ja mittlerweile auch dem Sportlerwahn zum Opfer gefallen ist. Man stelle sich vor: Wir sind die Crew einer stolzen Brigg, ja der letzten Brigg unter deutscher Flagge und offensichtlich gibt es keinerlei Beschäftigung mehr für unsere Crew… Lamentieren über Müdigkeit in halben Wachen, über die Anstrengungen des Bordbetriebs und dann sieht man sie an Deck ihre Liegestützen machen, ein Sportprogramm, das seinesgleichen sucht! Und doch passen sie nichtmal mehr zwischen Pardunen und hart angebrasster Rah hindurch!

Nunja – Immerhin für den Eingang zur Dosenlast hat es noch gereicht, schließlich war dies der einzige Ort, wo diejenigen, die tagtäglich ihr Steak zum Frühstück einfordern, keinen Zutritt mehr aufgrund ihrer Leibesfülle haben! Gestern wurde schon einmal damit angefangen, den Alten auf die harte Realität und den normalen Bordbetrieb einzunorden. Da kam er dann doch am Ruder plötzlich mächtig ins Schwitzen.
Dazu… vor einigen Tagen die Gründung von Gewerkschaften, die über Rosinen in Brötchen diskutieren und einen Bordchor ins Leben gerufen haben – Freilich, zu viel Freizeit scheint es hier an Bord zu geben, sodass jegliche seemännische Sorgfaltspflicht über den Haufen geworfen zu sein scheint:

Dichteste Nebelschwaden und eine kräftige Böe mit Wind, letzteres ein Traum für jeden Seemann – Und dann heißt es in Paragraph 7: „Strecktaue werden erst gespannt, wenn der Chor zuende geprobt hat“. Scheinbar hat hier an Bord langsam jeder den Verstand verloren, selbst die simpelsten Dinge wie das Wecken werden vergessen, ja versungen: Erst um 5 nach Voll wundert man sich, warum niemand zur Ablöse erscheint… Aber auch die erste Wache ist zu meinem Leidwesen nicht ganz frei von Schuld – Bergfest wollten sie feiern – selten habe ich einen Toppsgasten hier an Bord so verzweifelt gesehen, den Wachwechsel durchzuziehen, nur um mitzuerleben, dass die aufziehende Wache doch lieber dem Ruf des warmen Kakaos folgt.

Scheinbar hat hier das Unheil seinen Anfang genommen, die Opfergabe an Neptun in Luv vergossen – kein Wunder, dass wir nun dahin propellert sind. Jeder Trainee lernt doch spätestens bei den ersten Magenentleerungen der Seekrankheit, dass Luv nun definitiv nicht die richtige Seite ist, um Geschenke nach außenbords zu geben. Ebenso wird es sich nun mit Neptuns Gabe ereignet haben, statt das Wasser zu erreichen, ist die Hälfte wahrscheinlich am Schanzkleid kleben geblieben und der Rest im Wassergraben gelandet.

Eine Schande, ohne jeden Zweifel. Wo ist denn der erste Maat, wo sind denn unsere Steuerleute geblieben, um diesem Frevel Einhalt zu gebieten? Verschwunden! Allesamt verschwinden sie immer wieder in der Navi und diskutieren auf selbstgezeichneten Karten, welcher Kurs nun der Beste sei, diskutieren die Funktionsweise eines Sextanten und versuchen sich in der Positionsbestimmung. Stefan, der ewige Nörgler an Deck, der immer wieder die Brassen durchsetzen will und nachts vor allem als rotorange glühendes Pünktchen auf dem Stahldeck zu finden ist und immerhin die Crew gut auf Trab hält – Eine Wende, die einen Nordkurs zum Ziel hatte, wird mal eben zur Wende um 180 Grad, von Ostkurs auf Westkurs, während Sven, Jens oder wie auch immer der Assi eben heißt, selig in seiner Koje schlummert und ansonsten zu gerne den Ausguck von der Navi aus übernehmen würde. Steuermann Klaus sitzt als einziger immerhin noch stets auf Brücke, alibimäßig mit Gurt, man kann ja nie wissen, ob man nicht doch plötzlich einen Finger rühren muss, so sieht man zumindest beschäftigt aus. Und unser Erster? Sicha mit Micha, heißt das Motto, es folgen endlose Sicherheitsgeschichten schon seit Törnbeginn, die in ihrem Umfang länger erscheinen als eine Backschaft im Sturm auf dem Nordatlantik! Er vertieft sich tagelang in verschiedenste Wetterkarten, analysiert und folgert schlussendlich: Wir brauchen die Maschine! Aus den prognostizierten 15 Stunden werden schließlich doch eher 40, aber was macht das schon, der Maschinist hatte bisher ja sowieso nicht genug Arbeit gefunden, schließlich bleiben Toilettenverstopfungen schon seit längerem aus.

Nach dem gestrigen „Holt das Stöckchen, seht zu“, sind wir soweit! Wir fordern den Wind und die Segel zurück! Legt aus auf den Rahen, packt aus die Segel und dann klar bei Geitau und Gordingen, an die Schoten, an das Fall, klar bei Niederholer!“

Und so wollen wir schließen mit einem dreifachen
BVI Alaaf! Bermuda Alaaf! Roald Alaaf!

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