Tagesmeldung vom 08.01.2024
Törn 0833 | Transatlantik mit Brigg
Zwischen Kap Verden und Martinique
Position 15°47,6′ N|052°48,0′ W
Kurs, Speed 249 | 5,0kn
Etmal 142nm
Wind E – 5-6bft
Luftdruck 1018 hpa
Bedeckung 2/8
Temp (L/W) 29°C, 27°C
Zwei Trainee´s, eine Tagesmeldung
Daniel (grumpy old man)
Als ich die Augen um 08:45 Uhr öffne, ziehe ich erst mal die Decke wieder über Körper und Kopf. Auf dem Gang tobt das Leben und Udo geht ins Bett. Wache 2 hat Duschen und Toiletten okkupiert. Das ist mir alles zu viel. Muss es am frühen Morgen so viel Menschen geben? Wieso sind die alle schon so auf Action? Ich warte, bis endlich Ruhe einkehrt. Mein Plan: wenn alle zur Koje sind, muss ich keinem begegnen. Jetzt, leise aus dem Bett kriechen… Ich drehe mich zur Seite und falle gleich wieder zurück. Ein kleiner grauhaariger Kopf zappelt lustig aber auch sehr leise an meinem Bett vorbei Richtung Sanitär. Wolfgang, mein Sonnenschein. Er ist früh morgens auch eher der stille ‚Erlediger.‘ Keine Worte, keine Blicke. Mit ihm kann ich leben. Also hinterher in den ruhigen Gang, um dort gleich zwei andere Trainees im leisen Gespräch zu erspähen, die keinen stören wollen. Von links düst aus dem Nichts Miriam heran und vorbei: ‚Guten Morgen, Daniel‘ flüstert sie mit ihrem bezauberndsten Lächeln in meine Richtung. Voll morgendlicher Überforderung gehe ich erst mal zurück in die Kammer und überlege kurz, wieder ins Bett zu kriechen. Aber Wolfgang tingelt geflissentlich um die Ecke und gibt die Dusche frei. Ok, zweiter Anlauf. Diesmal schaffe ich es ohne Menschenkontakt. Safe-Space Dusche! Missmutig beginne ich das Waschritual und genieße die Einsamkeit. Die Stimmung bessert sich, bis ich die Tür öffne und ein froh gelaunter Raoul mir die Tür freundlich abnimmt und fragt, ob ich noch mal rein muss. Die Stimmung sinkt und ich bin wieder angeschlagen. Ich ziehe mich an, T-Shirt egal, ist ja hier kein Real-Life-Tinder, und durch den inzwischen leeren Gang in die Messe zum Frühstück. Für mich, den Morgenmuffel, ist die Roald schlichtweg gruselig. Antonia lacht mich in ihrer offenen Art an und Miriam scherzt, während sie die Tische flink abdeckt. Der andere Wolfgang kämpft bei Seegang mit übergelaufenem Wasser und begrüßt mich trotzdem nett, während er mich in die Messe lässt. Alle lachen, erzählen, reden. Maura vermeldet freudig ein: ‚Guten Morgen, darf ich mich zu dir setzen?‘ Ein Morgen auf der Roald, voller freundlicher Geschäftigkeit. Beim Schreiben der Tagesmeldung werde ich immer wieder unterbrochen. ‚Kannst mir mal deine Hand leihen?‘, ‚Hast du da die Namensliste offen?‘, ‚Magst du mich da für die T-Shirts eintragen‘, ‚Kann ich schon mal Grüße schreiben?‘ NEIN; NEIN; NEIN…Ich will doch nur in Ruhe Kaffee trinken und die Tagesmeldung schreiben…HEUL…Oder vielleicht doch? Bin ich nicht mit der Hoffnung an Bord gegangen, der Unfreundlichkeit des Alltags zu entfliehen? Und jetzt reißen sich hier alle am Riemen, sind einander zugewandt und jeder hat seinen Platz. Ok, ich gebe es zu. Nach 3 Wochen mit Euch sage ich dann doch mal JA; JA …Aber bitte nicht Knuddeln und von Zuneigung reden. Alles in Maßen, liebste Celina! Vielleicht bin ich ja beim Check-out für einen kleinen Drücker bereit…Vielleicht… Schau´mer Mal
Celina (the fairy-princess)
Morgens um 23:30 werde ich von sanft säuselnden Stimmen zur Nachtwache geweckt und freue mich schon, meine liebe Wache 1 gleich wieder zu sehen. Ein bisschen müde aber frohen Mutes hüpfe ich leise aus dem Hochbett und schlüpfe in meine Klamotten und Klettergurt. Auf dem Gang werde ich von Jörn, unserem Steuermann, mit einem wachen Moin begrüßt, bevor ich an Deck meinen Morgentee und die frische Nachtluft genieße. Zu Wachbeginn wünschen wir der abziehenden Wache noch eine ‚Gute Ruh‘ und dann beginnen wir geschäftig mit unserem Topsi Sven Theorie und Praxis zu wiederholen. Wenn eine ruhige Minute eingekehrt ist und wir beisammen sitzen, teilen wir meistens einen nächtlichen Snack und erzählen Geschichten aus unserem Leben. Hach, unsere Wache ist einfach sweet und alle haben mit ihren Eigenarten Platz und werden wohlwollend mit eingebunden. Selbst nach unseren Wachen kommt es des Öfteren vor, dass sich die Wache 1 zufällig am Spill (unser geheimer Energiebrunnen) sammelt und gemeinsam über Insider und Geschichten der letzten Schicht kichert. Ich hätte mir keine schönere Wachgemeinschaft vorstellen können und meine Bauchmuskeln sind von dem vielen Gekicher gut trainiert – ich werde sie alle sehr vermissen, wenn wir wieder in unser Landleben eintauchen werden. Wer wird dann mit mir um 4 Uhr nachts übermüdet Müsli essen? Es ist schon interessant, wie ein Haufen fremder Menschen auf diesem Törn zu meiner Familie geworden ist, bei der ich mich aufgehoben und unterstützt fühle. Das sieht man auch an den vielen Häkchen, die wir in unserem Ausbildungsbuch erhalten haben, da unser Topsi und alle in der Wache bemüht sind, zusammen zu lernen und das Schiff sicher durch die Tage und Nächte zu schaukeln. An Bord gibt es viel zu entdecken und wir bekommen extra spannende Vorträge zu Nautik, seemännische Redewendungen und der Maschine des Schiffes. Wir könnten alle unterschiedlicher nicht sein #grumpyoldman aber wir haben uns alle liebgewonnen, auch wenn manche es noch nicht ganz zugeben. So geht ein weiterer, ereignisreicher Tag voller Glitzermomente und neuer Erinnerungen zu Ende, aber erst spülen wir noch den Schweiß und Kuchenkrümel des Tages von Deck, damit wir später wieder frisch in die Nacht starten können.
Grüße
The grumpy man grüßt alle, die ihn kennen und sich auf die Zeit mit ihm freuen. Aber so richtig verstehen kann er es nicht…. Liebe Euch <3 <3 <3 (Anm: neues Zeichen, habe ich an Bord gelernt, danke Antonia) ‚Wenn du so bist, wie dein Lachen…‘ Lieber Papi, in der Kombüse die Tage so viele Lieder gehört, die du uns früher auf der Gitarre vorgespielt hast. Hab dich lieb, Grüße nach Lüsa, Nina. Antonia denkt an alle Daheimgebliebenen. Liebe Grüße an Mama und Papa, Rosalie und Verena! <3 Der Seewolf grüßt die Seewölfin, ahoi Markus. Celina schickt liebe Umarmungen an alle daheim <3.
3 Responses
Ich vermisse dich so sehr… <3
..und wir denken an dich! ..und wünschen uns bei Dauerfrost auch auf etwas südlicheren Breitengraden zu wandeln, bzw. zu segeln. Viele Grüße von Papa aus Freising, auch an die ganze Wache 1!
Ui so schee was von Dir zu erfahren, Antonia. Eure Geschichten machen so viel Spaß zu lesen, fast hätte ich – die doch gleich seekrank werden würde – Lust da auch mal dabei zu sein. Das klingt nach einer richtig guten Zeit mit super Leuten.
Freu mich schon, Dich bald wieder zu sehen und noch viel mehr Geschichten zu hören.
._..
PS: hab ich schon Grüße von Opi ausgerichtet? Und von allen anderen natürlich auch. <3