Tagesmeldung vom 06.03.2023
Horta in Reichweite
Position 37°01,8′ N|033°17,5′ W
Kurs, Speed 070 | 6kn
Etmal 146nm
Wind SSW – 7-8bft
Luftdruck 998 hpa
Bedeckung 6/8
Temp (L/W) 17°C, 17°C
Moin allerseits,
heute komme ich auch mal zu Wort. Wer ich bin? Nun, das bleibt erst mal mein Geheimnis. Zumindest bin ich keiner dieser feuchten Zweibeiner, die hier an Bord ständig herumwuseln.
Aus einer gesicherten Position überblicke ich nahezu das gesamte Oberdeck. Ich bin ja sozusagen wachfrei, von daher habe ich viel Zeit, um dieses lustige Treiben an Bord zu beobachten. Die Atlantiküberquerung fordert mich leider bislang kaum. Dabei ist durchaus was los. Die meist mit feuchtem Gummi überzogenen Seeleute sind ständig beschäftigt. Wachwechsel, Ausguck, Ruder gehen, Brassen holen und fieren, Segel setzen und bergen, umschiften (also auf die andere Seite nehmen) und bei Bedarf auch reparieren. Der Wind zerrt hier nämlich an allem: an den Segeln, den Tampen, den Nerven und natürlich auch an mir. Aber ich bin ja fest belegt – doppelter Pollerschlag! Meine „Koje“ ist eigentlich recht gemütlich, gut gepolstert und mit hohem Frischluftanteil. Nur eines macht mich traurig: Wenn die Wachen nach getaner Schicht sich auf die warme Koje freuen, bin ich außen vor, liege ja ständig an meinem Platz und kann das Gefühl nicht nachvollziehen. Soll aber sehr schön sein, es ist warm und kuschelig, es zieht und regnet nicht.
So erzählen sie auf der Brücke.
Nun denn; hier draußen gibt’s keinen Komfort – nur Wind, Wellen und manchmal zu viel davon. Dann tun mir die Menschlein im Ölzeug leid, wenn´s ganz gar stürmt und das Schiff rollt und schaukelt, die Wellen übers Deck rauschen und alles mit einer feinen feuchten Salzkruste überzogen wird.
Doch es gibt durchaus auch schöne Momente in meinem derzeitigen Dasein. Schon heute in aller Früh zogen feine schokoladige Düfte aus der Kombüse an mir vorbei. Mmmmmh, Schokobrötchen… Man sprach noch stundenlang nach dem Frühstück davon, wie lecker die waren. Leider finden sie nie den Weg aus der Messe bis zu mir. Die Leute sitzen auf den Backskisten oder auf der Brücke und erzählen von längst vergangenen Zeiten, von Träumen und Plänen – und ich höre still zu. Manchmal reden die Seeleute auch über mich. Meist in wohlwollender Art und Weise. Sie beschreiben meine Einzelteile und erzählen, wie ich den Menschen von Nutzen bin. Das Manöver bis ich einsatzbereit bin ist ja ziemlich komplex. Viele Hände kümmern sich dann um mich und freuen sich, wenn sie dann endlich auch mit mir spielen dürfen 🙂 Die Wache 3 hat sich letzte Nacht sehr ausgiebig mit mir beschäftigt – das tut echt gut! Aber ich weiß auch, dass es dann wieder lange still wird um mich. Es gibt ja so viel zu lernen und zu verstehen auf diesem, meinem Schiff. Die Menschlein sind so unglaublich fleißig, kümmern sich um die vielen, vielen Einzelteile dieses Schiffes (heute waren die achteren Pardunen dran) und natürlich auch darum, dass das Schiff auf Kurs bleibt und pünktlich im Hafen einläuft.
Apropos Hafen: ich hoffe sehr, dass ich da wieder wichtig bin und beim Anleger mithelfen darf. Schon heute sprechen die Seeleute darüber: über Festmacher, Pollerbelegung, Fender und Gangway. Es kann also nicht mehr lange dauern, bis das erste „Land, Land in Sicht“ ertönt. Nicht nur ich freue mich drauf. Und bis dahin liebe ich in meiner Betting, freue mich über die gutgelaunten Wesen um mich herum und denke: Auch dieser Tag war wieder ein guter Tag.
Das Dinghi grüßt die Tall Ship Friends!
Billy grüßt die erweiterte Großfamilie!
Gero grüßt Angelika, Theresia, Hund Emma und Oma Karola und Opa Uli!
Nina schickt Grüße raus an alle Freunde und Familienmitglieder, die das hier lesen en natuurlijk aan Koen (nog maar 2 weekjes to go 😊)
Hrrmmphhh!