Newsletter Juni 2024
Grüße von der Brigg ROALD AMUNDSEN
- HECKWELLE
Rolling Home und Werftzeit - AUSGUCK RECHT VORAUS
Langer Segelsommer und Winterliegezeit - POSITIONEN AN BORD
Maschine – vom Maschinen-Assistenten-Anwärter zum Maschinisten - ÜBRIGENS – WUSSTEST DU SCHON…
… was eigentlich Windjammer sind?
„wenn die wellen silbrig-türkis brechen
und der hagel vom letzten schauer noch lange auf den plancken liegt,
wenn tagsüber der gärtnerstyle getragen wird
und in der nachtwache die füße zu eiszapfen werden,
wenn der wind in den tampen pfeift
und die tiefblaue see aus dem rigg betrachtet mit weißen schaumkronen gesprenkelt ist,
wenn gelächter zwischen brücke und messe hin und her wandert
und inflationär doppelkopf gespielt wird,
wenn der ausguck nichts zu melden hat
und der kurs am kompass immer mal wieder durchgeht,
wenn das anziehen die volle halbe stunde dauert
und der trend zur drittjacke geht,
wenn der vollmond aufgeht und einen regenbogen mit sich bringt
oder die nacht trotzdem pechschwarz ist,
wenn 35 knoten endlich wieder weniger wind
und sirius der hellste stern am himmel ist,
dann ist das winter nordatlantik
und ich mags sehr.“
Alicia – im März 2024 von den Azoren nach Cherbourg
1. HECKWELLE
Rolling Home & Werftzeit
Karibische Inseln und tropische Temperaturen sind zwar eine schöne Abwechslung zu den europäischen Segelbedingungen, in der Sommersaison genießt die ROALD AMUNDSEN dann aber wieder die langen Tage auf der Nord- und Ostsee. Dorthin ist es aus der Karibik aber ein weiter Weg.
Je näher es über den Atlantik in Richtung der Azoren geht, desto kühler wird es und trotzdem hatte die Crew dieses Jahr GIück mit dem Wetter: Immer wieder vieI Sonne und nur eine KaItfront, die sie erwischte. Diese hatte es dann aber ganz schön in sich. Mit starken Winden und Gewitter zog sie über die ROALD hinweg, brachte ihr aber auch vieI Fahrt, sodass der Crew in Ponta Delgada noch Zeit blieb, neben Schiffsinstandhaltungsarbeiten und den Vorbereitungen für den nächsten Törn, die InseI mit ihren heißen QueIIen und Pasteis de Nata zu erkunden.
Von den Azoren segeI-motorte die ROALD zunächst Richtung Norden, um den passenden Wind zu finden. Dieser kam dann mit voIIer Wucht und bescherte ihr einige Tage im Sturm. An karibisches Wetter nicht mehr zu denken, wurde man nun vieImehr mit den Informationen „8 Grad und Regen“ oder „Wasser von aIIen Seiten“ geweckt. NordatIantik eben. GIücklich waren die, deren Essen nicht durch die Messe flog, denn der Seegang Iieß aIItäglichste Dinge zur Herausforderung werden. BeIohnt wurden die Strapazen dann aber mit frühIingshaftem Wetter, aIs die ROALD auf den englischen KanaI zuhielt.
Bei ihrer Fahrt nach Norden mit Stops in Cherbourg und Amsterdam gab es viele Gelegenheiten, Manöver zu üben und die Brücke hatte mit dem regen Verkehr zu tun. Auch hier zeigte der englische Kanal einerseits mit Sturm und Strom gegenan und andererseits der Möglichkeit für Dinghi-Fototouren bei schönestem Wetter seine gesamte Pallette an Möglichkeiten. Mitte April erreichte die ROALD dann die Werft in Emden.
Dort gab es in den folgenden zwei Wochen viel zu tun, der Anstrich des Rumpfes wurde erneuert, wofür die Roald einige Zeit im Dock verbrachte, vier Rahen wurden abgeriggt und generalüberholt, inklusive neuer Segel, und auch Riggarbeiten wie das Konservieren der Drahtseile mit Labsal, das Erneuern von Webeleinen und Spleißen von Zeisern gab es genügend.
Anfang Mai war es dann so weit: Alle Arbeiten waren abgeschlossen und die ROALD machte sich auf in heimische Gewässer für die Sommersaison. Auf dem Überführungstörn von Emden nach Eckernförde hatte die Crew das Vergnügen einen Zwischenstop auf Helgoland einzulegen und die Insel zu erkunden. Nach einer langen Fahrt durch den Nord-Ostsee-Kanal erreichte die ROALD endlich die Ostsee und wurde in Kiel zur diesjährigen Mitgliederversammlung von vielen Crewmitgliedern herzlich Willkommen geheißen.
Familientörn, Klassenreise, Pfingsttörn – der Segelsommer nimmt seinen Lauf und das Wetter lässt auch nicht zu wünschen übrig. Ende Mai richtete die ROALD zum ersten Mal in diesem Jahr ihre Segeln nach Norden aus und segelte durch den großen Belt und das Kattegat bis nach Norwegen, nach Oslo. Damit beginnt die Saison der weißen Nächte und Mitternachtsdämmerung in skandinavischen und baltischen Gewässern.
Wenn die Sehnsucht in dir geweckt wurde,
zum Mitsegeln geht es hier entlang.
„Man kommt oft zu den Törns, genießt die Zeit auf der ROALD und nimmt es irgendwie für selbstverständlich, dass auf dem Schiff alles in einem guten Zustand ist. Auf See ist kaum zu erfassen, wie viel Arbeit dahintersteckt. Wie viel Zeit und Mühe und Liebe so viele Menschen in das Schiff stecken.
Fast alles, was auf diesem Schiff stattfindet, die Begegnungen, Abenteuer, Once-in-a-Lifetime-Momente werden nur möglich gemacht durch Unmengen von unsichtbarer Arbeit. Die Werftarbeiten sind ein Teil davon. Wir machen das nicht (nur), weil wir es genießen im Morgengrauen aufzustehen, Sonne zu tanken beim Labsalen unterm Klüverbaum oder für das köstliche Essen, das vom Smut zubereitet wurde. Sondern weil wir dem Schiff etwas zurückgeben wollen. Egal mit welchen Vorkenntnissen, jede Person wird eingespannt und kann nach ihrem Vermögen mit anpacken. Werftzeit fordert andere Dinge von mir als ein Segeltörn, aber sie gibt mir auch andere Dinge zurück.
Es erfüllt mich mit Stolz, nach der Werft die ROALD zu verlassen und zu sehen, dass selbst das bisschen von mir Getane dazu beiträgt, dass andere Menschen, die dieses Schiff genauso schätzen wie ich, darauf fahren können. Und wer jetzt noch nicht von der Werft überzeugt ist, muss erstmal erleben wie es sich anfühlt, im Rigg einem Gording zu begegnen, den man selbst befestigt hat, einer Brasse, die mit Mühe gelabsalt wurde oder einem Musing, der sich auch nach einem Jahr noch wacker hält und einen beim nächsten Törn zurück auf der ROALD begrüßt.“
Alissa – über die Werftzeit im April 2024 in Emden
2. AUSGUCK RECHT VORAUS
Der lange Segelsommer & Winterliegezeit
Oslo ist nicht das einzige skandinavische oder baltische Ziel der ROALD AMUNDSEN in diesem Sommer. Aber zunächst geht es wieder zurück nach Deutschland. Ende Juni hast du die Möglichkeit, das Schiff auf der Kieler Woche zu sehen und bei einer spannenden Tagesfahrt einen ersten Eindruck davon zu gewinnen, wie sich ein längerer Aufenthalt an Bord anfühlt. Direkt im Anschluss nimmt die ROALD Kurs auf Tallinn (EST) und bietet dir die Chance, auf dem 10-tägigen Törn in die Welt des Traditionssegelns einzutauchen – denn einige Plätze sind noch frei.
An Großsegelschiffen und jungen Menschen wird es in Tallinn nicht fehlen, da die ROALD dort zu den Tall Ships Races hinzustößt, die schon in vollem Gange sind. Auf der Route Tallinn (EST) – Turku (FIN) – Mariehamn (FIN) – Szczecin (POL) kannst du dich auf eine junge, internationale Crew freuen und den Austausch mit anderen Schiffen bei den vielen aufregenden Hafenveranstaltungen erleben.
Im Anschluss segelt die ROALD weiter zur HanseSail nach Rostock und zur SailSassnitz, wo du auf den 2,5- bis 5-stündigen Ausfahrten einen Einblick in das Segeln bekommen und eine entspannte Zeit auf der Ostsee genießen kannst. Auf der Strecke Sassnitz – Karlskrona (S) – Stralsund macht die ROALD nochmal einen Schwung nach Skandinavien und bietet dir die Möglichkeit das Segelrevier zwischen Deutschland und Schweden zu erleben und den schwedischen Schärengarten vom Wasser aus zu bewundern.
Auch im Spätsommer und Herbst ist die Segelsaison noch nicht zu Ende. Der Törn Der Wind hat viele Farben Anfang September soll eine Ermutigung vor allem für queere Menschen sein, das gemeinsame Leben an Bord kennenzulernen. An Land ist es manchmal auf den ersten Blick nicht erkenntlich, dass SailTraining keine Frage nach der Identität oder Orientierung eines Menschen stellt. Ein Traditionsschiff zu segeln, traditionelle See“mann“schaft zu (er)leben und dabei eine Crew zu sein ist der zentrale Punkt.
Danach werden Häfen wie Neustadt, Ystad (S), Wismar, Travemünde und Eckernförde angesteuert. Mit vielen begeisterten Trainees an Bord wird jeder Törn zu einem besonderen Erlebnis. Falls du noch unentschlossen bist, wirf gerne einen Blick in unseren Törnplan – bestimmt ist etwas Passendes dabei.
Die Routenplanung für das Jahr 2025 nimmt ebenfalls Gestalt an und im Frühling und Sommer erwarten dich spannende Segelrouten auf der Ostsee bis hoch nach Finnland, bevor es im Herbst wieder in Richtung Süden geht. Der neue Törnplan ist bald auf unserer Webseite verfügbar.
Du kannst dich also auf ein weiteres Jahr voller Abenteuer und unvergesslicher Momente auf hoher See freuen, während die ROALD AMUNDSEN diesen Winter eine Pause vom Segelbetrieb macht. An ihrem Winterliegeplatz in Hamburg-Harburg werden währenddessen umfangreiche Wartungsarbeiten durchgeführt, die im normalen ganzjährigen Törnbetrieb nicht unterzubringen wären. Als Vereinsmitglied kannst du wie immer an der Windjammerpflege teilnehmen und angeleitet von der Stammcrew viel über das Handwerk auf Traditionssegelschiffen lernen. Die Anmeldung dafür erfolgt regulär über das Schiffbüro.
„Und warum dachtest du nochmal, dass es eine gute Idee wäre, hier mitzufahren?“
Diese Frage wurde mir nicht nur einmal von unseren Steuerleuten während der Nordatlantiküberquerung im Winter gestellt. Und ich muss zugeben, ganz kurz habe ich mich das während der ersten Tage auch gefragt, während ich, null seefest und mit null Segelerfahrung, mich überwiegend im Bett, neben der Keramik und in der Nähe der Reling aufgehalten habe.
Zum Glück änderte sich das schlagartig, als die Seekrankheit nach 3 Tagen ausgestanden war. Denn ab da habe ich jede Minute genossen! Naja, fast jede Minute. Nicht die um 3:30 morgens, wenn ich geweckt wurde. Da hieß es dann, langsam wach werden und sich wetterfest anziehen, um dann um Punkt 3:55 die Brücke zum Wachwechsel zu betreten. Und egal wie müde ich auch bis dahin war, wenn ich raus kam und in den atemberaubenden Sternenhimmel gesehen hab, dann gab es nur noch ein Gefühl: DANKBARKEIT!
Dankbarkeit, dass ich das erleben darf! Ja, ich habe ein Abenteuer gesucht. Und ja, ich habe ein Abenteuer erlebt! Jede Nacht, wenn wir das Schiff durch die schwarzen Wellenberge geführt haben, jeden Morgen, wenn wir in den Sonnenaufgang gesegelt sind, einfach jeder Tag ein Abenteuer.
Und jetzt, nachdem ich längst wieder im heimischen Berlin die Bilder und Videos unseres Törns sehe, kann ich mit einem Augenzwinkern zu Udo Lindenberg singen: „Ich hab niemals dran gezweifelt, dass wir das überstehn!“ „
Mariko – im März 2024 von Bermuda auf die Azoren
3. Positionen an Bord
Maschine – vom Maschinen-Assistenten-Anwärter zum Maschinisten
Auf jedem Törn gilt: Ohne Maschinist*in legen wir nicht ab – aber wieso das? Die Brigg ROALD AMUNDSEN ist doch ein Segelschiff?!
Ununterbrochen ist ein*e Maschinist*in an Bord und häufig auch ein*e Maschinen-Assistent*in – und die haben ganz schön viel zu tun. Natürlich sind sie vor allem für unsere Hauptmaschine Emma verantwortlich, ein 8-Zylinder Buckau-Wolff Diesel Reihen-Motor mit 300 PS. Emma darf bei uns zwar oft Pause machen – unser Ziel ist es schließlich möglichst viel zu segeln – doch vor allem bei Manövern wie zum Beispiel dem An- und Ablegen im Hafen brauchen wir unseren Hilfsantrieb. Außerdem kommt er zum Einsatz, wenn das Wetter der Törnplanung einen Strich durch die Rechnung macht und der nächste Hafen ausschließlich unter Segeln nicht rechtzeitig erreicht werden kann.
Aber hier hört die Arbeit der Maschinist*innen nicht auf, sondern fängt erst an. Der Maschinenraum ist zugleich Werkstatt für allerlei anfallende Reparaturen und Ersatzteillager. Von der Kaffeemaschine bis hin zur Ankerwinde – dort gibt es das Material und Werkzeug, um Reparaturen und Wartungen durchzuführen.
Denn auch alle anderen technischen Einrichtungen werden von den Maschinist*innen betreut: Von unseren drei Generatoren, über die Frisch- und Abwasserversorgung, bis hin zur Heizung, umfasst das Tätigkeitsfeld die verschiedensten Gewerke. Deshalb ist die Ausbildung zum/r Maschinist*in auch äußerst umfangreich.
An Bord der Brigg ROALD AMUNDSEN ist der Bereich der Maschine in drei Positionen gestaffelt: Als Maschinen-Assistenten-Anwärter verschafft man sich einen Überblick über die Maschine und lernt die ersten Grundlagen. Entscheidet man sich dann, die Ausbildung fortzuführen, und kennt sich mit allen für den sicheren Bordbetrieb notwendigen Einrichtungen aus, fährt man als Maschinen-Assistent. Die Ausbildung wird dokumentiert im
Erfahrungsnachweis für Maschinisten auf Traditionsschiffen vom DSV (Deutscher Segler Verband). Wer genügend Erfahrung gesammelt hat, den entsprechenden Schein nachweisen kann und vom technischen Inspektor bestellt wird, darf als Maschinist*in an Bord fahren.
Du möchtest auch mal einen Blick in den Maschinenraum werfen? Dann sprich auf dem Törn gerne den/die Maschinist*in an – sie geben bei Interesse gerne Führungen und erläutern die verschiedenen Aggregate, Geräte und Maschinen.
„Mondlicht scheint hinter jagenden Wolken, zieht ein silbernes Band auf leuchtend schäumende Wellenkämme der mächtig wogenden See, salzig schmeckende Gischt, waagerecht, fliegt über Deck. Rasmus steigt an Bord, ein Schwall kalter Nordsee bis über die Knöchel und in die Schuhe – egal – verläuft sich wieder rauschend und gurgelnd durch die Speigatten, leise klirrt und scheppert es in der Kombüse, es seufzt, pfeift und heult in der Takelage, im Rhythmus schwankender Masten. Knatterndes Vorstengenstagsegel. Schoten dichtholen! Kurs Drei-Drei-Null! – Drei-Drei-Null liegt an! Voll bläht sich das fahlweiße Segel und zieht die stampfende Roald voran, tief tauchen Bug und Klüverbaum ein. Weiter, immer weiter! Querab das Blinken eines Windparks, achterlich hinter dem Horizont sendet ein Leuchtfeuer seine Kennung an tiefhängende Wolken. Hoch oben das Sternbild des großen Bären, ein Meteor zischt an Backbord vorbei, ein Moment der Ehrfurcht.“
Roland – im April 2024 auf der Nordsee
4. ÜBRIGENS – WUSSTEST DU SCHON…
… was eigentlich Windjammer sind?
Der Begriff „Windjammer“ entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert als Bezeichnung für rahgetakelte große Segelschiffe, die für eine große Tragfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Handhabung durch eine kleine Crew gebaut wurden. Die schnellen Segler, anfangs aus Holz, später aus Eisen oder Stahl, sollten für ihre Reeder durch Frachttransport große Gewinne einfahren. Auch die Flying P-Liner der Hamburger Reederei F. Laeisz gehörten dazu.
„Windjammer“ stammt aus dem Englischen und wurde von dem Begriff „to jam the wind“ abgeleitet, was so viel wie „hart am Wind segeln“ oder „vom Wind vorwärts gedrückt“ bedeutet. Heute wird er als Synonym für Großsegler im Allgemeinen verwendet.
„Bereits in den frühen Morgenstunden konnte die Wache 1 einen wunderschönen Tag bestaunen. Die immer noch ersichtliche Abenddämmerung im Westen ging in einem klaren Sternenhimmel im Osten über. Um 03:30 Uhr wurde die Szenerie dann von einem tiefroten Feuermond abgelöst. Unter diesen Eindrücken tauchte dann in den frühen Morgenstunden die Storebaeltbroen auf – eine majestätische Hängebrücke, welche zwei dänische Inseln miteinander verbindet. Stolz und mit ehrfürchtigem Blick passierten wir diese unter fast vollen Segeln, und jeder der in diesem Moment hoch starrte, dachte daran, was für ein Privileg es doch ist, an diesem perfekten Tag zusammen mit andern Menschen auf unserem wunderbaren Schiff an Bord sein zu dürfen.“
Auszug aus der Tagesmeldung vom 29.05.2024
Herzliche Grüße an alle Leser*innen.
Wir hoffen wir sehen euch bald an Bord. Der nächste Newsletter erscheint am 15.09.24.
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